paragraph-ge90efc451_640

NEUREGELUNGEN IM KAUFRECHT 2022

 

Ab dem 1.1.2022 treten erhebliche Änderungen im Kaufrecht in Kraft.

Es werden unter anderem die europäische Waren-Kaufrichtlinie EU 2019/771 sowie die EU-Richtlinie „über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ und die sog. Digitale-Inhalte-Richtlinie EU 2019/770 ab dem 1.1.2022 umgesetzt.

Die Umsetzung der europäischen Regelungen erfolgte durch

  • Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 10.8.2021
  • Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbrauchervorschriften der Union vom 10.8.2021
  • Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages vom 25.6.2021
  • Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25.6.2021

Zudem wurde die sog. Omnibus-Richtlinie (EU 2019/2161) mit dem Gesetz umgesetzt, deren Regelungen in Deutschland ab dem 28.5.2022 in Kraft treten werden.

A.    Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalen- Inhalte Richtlinie ist auf alle Verträge anwendbar, die ab dem 1.1.2022 geschlossen werden oder wenn der Vertrag zwar vor dem 1.1.2022 geschlossen wurde, aber die Bereitstellung der Ware erst ab dem 1.1.2022 erfolgt.

Es ist nunmehr im Kaufrecht zu unterscheiden zwischen Kaufverträgen

  • über „herkömmliche“ Waren
  • über Waren mit digitalen Elementen und über digitale Produkte

I.     Neuer Vertragstyp: Kaufverträge über digitale Produkte

Eine neue Vertragsart sind die sog. „Verbraucherverträge über digitale Produkte“. Dieser Vertragstyp ist nun in § 327 Abs. 1 BGB definiert und in den §§ 327 ff. BGB geregelt.

Die §§ 327 bis 327s BGB regeln Verträge mit einem Verbraucher, während §§ 327t, 327u BGB die entsprechenden Verträge zwischen Unternehmen regeln.

1.     Gegenstand:

Kaufverträge über digitale Produkte sind Verbraucherverträge, die die Bereitstellung

  • digitaler Inhalte
  • oder digitaler Dienstleistungen

durch einen Unternehmer zum Gegenstand haben.

In Abgrenzung zu den unten genannten Kaufverträgen mit digitalen Elementen handelt es sich hier um Verträge über reine digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen, also ohne dass hiermit eine Sache verknüpft ist. Dies ist z.B. der Fall bei

  • Streaming,
  • Download von e-books, games, Videos, Musik, Software, Apps,
  • Cloud-Speicherung.

2.    Aktualisierungspflicht /Updateverpflichtung

Den Unternehmer trifft eine Aktualisierungspflicht (§ 327f Abs. 1 BGB) für das digitale Produkt. Hierzu gehören auch Sicherheitsaktualisierungen.

Dies hat natürlich auch eine Kehrseite: Der Verbraucher muss diese Aktualisierungen auch installieren, um nicht in die Gefahr zu laufen, seine Gewährleistungsrechte zu verlieren (§ 327f Abs. 2 BGB).

3.    Gewährleistungsrecht

Der Gesetzgeber hat in den §§ 327c ff. BGB ein eigenes Leistungsstörung- und Gewährleistungsrecht geschaffen. Dieses ist dem herkömmlichen Recht nachgebildet. Es besteht hier ein Recht auf

  • Nacherfüllung
  • Minderung
  • Vertragsbeendigung (im Gegensatz zum sonstigen Rücktrittsrecht)
  • Schadensersatz

II.    NEU: Verbraucher-Kaufverträge mit digitalen Elementen

Es gibt einen weiteren neuen Vertragstyp: „Kaufverträge mit digitalen Elementen“. Dieser ist nun in § 327a Abs. 3 Satz 1 BGB definiert.

Verbrauchsgüterkaufverträge mit digitalen Elementen sind neu in §§ 475b ff. BGB geregelt.

1.    Gegenstand

Waren mit digitalen Elementen sind verkürzt gesagt Sachen, die digitale Elemente oder digitale Dienstleistungen enthalten und ohne diese digitalen Elemente oder digitale Dienstleistungen nicht funktionieren. Dies sind z.B.

  • Smartphones mit entsprechender Betreibersoftware (IOS, Android),
  • Tablets mit Betriebssoftware,
  • PC mit Betriebssoftware
  • Smartwatches mit Betriebssoftware,
  • Spielekonsolen mit Betriebssoftware

Diese Sachen funktionieren alle nur mit einer bestimmten Software, die im Regelfall vom Verkäufer bzw. Hersteller mitgeliefert wird.

Funktioniert die mitverkaufte Software hingegen auch ohne die verkaufte Ware, spricht man von einem Paketvertrag. Dieser ist in § 327a Abs. 1 BGB geregelt. Ein Beispiel hierfür ist der Abschluss eines Handyvertrages gemeinsam mit einem Musik-Streamingvertrag. Das Handy ist lediglich zur Wiedergabe geeignet, funktioniert aber auch ohne das Musik-Streaming.

2.    Aktualisierungspflicht: § 475b Abs. 4 BGB

Da die Kaufsache mit einem digitalen Element eng verknüpft ist und ohne sie nicht ordnungsgemäß funktioniert, besteht eine Aktualisierungspflicht des Herstellers, damit er keinen Gewährleistungsansprüchen des Verbrauchers ausgesetzt ist. Nur dann, wenn die Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind und der Verbraucher hierüber auch informiert wird, entspricht die gekaufte Ware den objektiven Anforderungen.

  • Der Hersteller hat den Verbraucher über Aktualisierungen daher zu informieren und diese bereitzustellen. Tut er dies nicht, ist die Ware mangelhaft.

Auch hier ist es so: Installiert der Verbraucher die bereitgestellten Aktualisierungen nicht, verliert er grundsätzlich seine Gewährleistungsrechte.

Offen ist, wie lange diese Aktualisierungspflicht bestehen soll. Das Gesetz spricht von „üblicher Nutzungs- und Verwendungsdauer“. Dies dürfte auf jeden Fall der Zeitraum der Verjährung von Mängelansprüchen sein, also regelmäßig 2 Jahre.

3.    Gewährleistung

Bei Mangelhaftigkeit des Produkts, z.B. aufgrund Fehlerhaftigkeit der Software, stehen dem Käufer die gleichen Rechte zu, wie bei dem Kauf eines anderen Produkts, also ein Recht auf Nacherfüllung, Minderung (bei Scheitern der Nacherfüllung), Rücktritt oder Schadensersatz. Die §§ 327ff. BGB finden nach § 327a Abs. 3 Satz 1 BGB keine Anwendung. Es findet vielmehr das allgemeine Verbrauchsgüterkaufrecht Anwendung – weil die Sache ohne das digitale Element eben nicht funktioniert.

4.    Beweislastumkehr von 2 Jahren

Es gilt hier zu Gunsten des Verbrauchers für das Vorhandensein eines Mangels eine Beweislastumkehr für die Dauer von 2 Jahren. Funktioniert das Produkt innerhalb von 2 Jahren nicht mehr, wird vermutet, dass es bereits beim Kauf einen Fehler hatte.

B.     Neu: Informationspflichten auf Online-Marktplätzen

Auf sog. Online-Marktplätzen, wie z.B. amazon oder ebay, gelten ab dem 1.7.2022 erweiterte Informationspflichten, die in § 312k BGB sowie Art. 246d EGBGB geregelt sind. Hierdurch soll eine bessere Transparenz geschaffen werden:

  • Der Verbraucher soll z.B. bei seinen Suchergebnissen erfahren
  • Was sind die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings
  • Wie ist die Gewichtung der Hauptparameter

 

Der Betreiber des Online-Markplatzes muss nunmehr auch wirtschaftliche Verflechtungen zwischen ihm und den Anbietern gegenüber dem Verbraucher offenlegen.

 

C.    Neues Warenkaufrecht

I.    Neuregelung des Sachmangels

Der Sachmangel wird in § 434 BGB neu geregelt.

Bis zum 1.1.2022 war eine Sache nicht fehlerhaft, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hatte. Das Recht ging also in erster Linie von dem subjektiven Mangelbegriff aus. Wurde keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart, war für die Fehlerfreiheit entscheidend, ob sie sich für der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet oder – wenn sie sich hierfür eignete – eine Beschaffenheit aufwies, die der von Sachen gleicher Art entsprach.

Ab dem 1.1.2022 lautet § 434 BGB:

„Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“

Entscheidend ist, dass nunmehr 3 Elemente kumulativ vorliegen müssen. Die Sache muss, um fehlerfrei zu sein,

  • den subjektiven Anforderungen,
  • den objektiven Anforderungen
  • und den Montageanforderungen genügen.

Eine Sache ist also dann nicht mehr allein deswegen fehlerfrei, weil sie der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Sie muss nunmehr auch immer den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen genügen.

II.    Verlängerung der Beweislastumkehr

Beim Verbrauchsgüterkauf wird die Beweislastumkehr vom 6 Monaten auf 1 Jahr verlängert (§ 477 BGB). Es wird also vermutet, dass die Kaufsache von Anfang an mangelhaft war, wenn sich innerhalb von einem Jahr nach dem Kauf ein Fehler zeigt.

 

D.    Gesetz für faire Verbraucherverträge

Nach dem Gesetz über faire Verbraucherverträge soll es Verbrauchern zukünftig einfacher sein, sich von Verträgen mit langen Laufzeiten zu lösen.

I.    Verkürzte Kündigungsfrist bei automatischer Vertragsverlängerung

Verbraucherverträge, die ab dem 1.3.2022 abgeschlossen werden und in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine automatischen Verlängerungsklausel enthalten, können statt der bisher üblichen mehrmonatigen Kündigungsfrist nunmehr mit einer einmonatigen Frist gekündigt werden (§ 309 Nr. 9 BGB).

Diese Regelung erfasst nur Dauerschuldverhältnisse eines Verbrauchers, die die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben. Erfasst sind daher z.B. folgende Verträge eines Verbrauchers mit

  • Mobilfunkanbietern
  • Streamingdiensten
  • Fitnessstudios

Es kann weiterhin ein Vertrag mit einer Mindestlaufzeit von 2 Jahren vereinbart werden, nach dem Ablauf dieser Zeit ist der Vertrag dann aber binnen Monatsfrist kündbar.

Vertragslaufzeiten über 2 Jahren sind bei derartigen Verträgen mit Verbrauchern unzulässig.

II.    Online-Kündigungsbutton

Alle online abgeschlossenen Verbraucherverträge über Dauerschuldverhältnisse sollen ab dem 1.7.2022 auch online gekündigt werden können (§ 312k BGB).

  • Hierzu hat der Vertragspartner auf seiner Internetseite einen leicht zugänglichen Kündigungsbutton gut sichtbar zu platzieren.
  • Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar und lediglich mit den „Vertrag hier kündigen“ oder einer ähnlichen Formulierung beschriftet sein.
  • Der Verbraucher muss bei Anklicken des Kündigungsbuttons unmittelbar zu einer Bestätigungsseite geführt werden, die ihm ermöglicht, bestimmte Angaben zur Kündigung zu machen (z.B. Art der Kündigung, Vertragsbezeichnung, Grund der Kündigung) zu machen.
  • Der Verbraucher muss zudem die Möglichkeit haben, die abgegebene Kündigungserklärung zu speichern.
  • Der Unternehmer hat dem Verbraucher den Inhalt, Datum und Uhrzeit der Kündigungserklärung auf elektronischem Weg zu bestätigen.

Entspricht der Kündigungsbutton und der hiermit ablaufende Kündigungsvorgang nicht der gesetzlich vorgesehen Art und Weise, ist der Verbraucher berechtigt, den Vertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

HINWEIS:

Diese Seite enthält keine individuelle Rechtsberatung. Sie stellt lediglich Informationen zur Verfügung, für deren Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen wird. Die Informationen können keine individuelle rechtliche Beratung ersetzen, welche die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt.